Der tiefe Staat: Die Unterwanderung der Demokratie durch Geheimdienste, politische Komplizen und den rechten Mob by Jürgen Roth

Der tiefe Staat: Die Unterwanderung der Demokratie durch Geheimdienste, politische Komplizen und den rechten Mob by Jürgen Roth

Autor:Jürgen Roth [Roth, Jürgen]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Geheimdienste, Politik & Gesellschaft
ISBN: 9783641160333
Google: 6mOQCgAAQBAJ
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2016-01-24T23:00:00+00:00


Sachsen – das unfreieste Bundesland Deutschlands?

Doch was sind die tieferen Ursachen dieser Entwicklung in Sachsen? Die spezielle politische Kultur in Sachsen kommt ja nicht von ungefähr, sondern hat sehr viel mit der sächsischen Geschichte zu tun. Im Dritten Reich war Sachsen eine Hochburg der Nationalsozialisten. »Bereits im Frühjahr 1933«, resümierte der ehemalige sächsische SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle,

»war Sachsen das erste Land im Deutschen Reich, das den öffentlichen Dienst von ›jüdischem Ungeist‹ säuberte, das Richter und Referendare entließ sowie Notaren, Ärzten und jüdischen Kulturschaffenden Berufsverbote erteilte. Bereits am 23. Mai 1933 beschloss der Sächsische Landtag als erstes Landesparlament im Deutschen Reich das von den Nazis vorgelegte Ermächtigungsgesetz. (…) Hakenkreuzfahnen über der Universität, der Semperoper und den Theatern symbolisierten, dass man bereits begonnen hatte und wieder eifriger und schneller war mit der Machtergreifung als in anderen deutschen Städten.«101

Der Übergang von der nationalsozialistischen Diktatur zur kommunistischen Gewaltherrschaft war fließend. Die überwiegende Mehrheit der DDR-Bürger verhielt sich systemkonform und war entsprechend autoritätsgläubig. Und Rassismus herrschte bereits. Der Historiker Harry Waibel ist einer der besten Kenner von Geschichte und Gegenwart des Rechtsextremismus. Für die DDR sagt er: »1975, als die ersten ›Vertragsarbeiter‹ aus sozialistischen Bruderländern kamen, begann der Rassismus in der DDR.«102

Gerade mal ein Vierteljahrhundert ist es her, dass die Bürger in den neuen Bundesländern zum ersten Mal demokratische Kultur kennenlernten, und das noch in Form der Fremdbestimmung über ihr bisher mehr oder weniger harmonisches Leben in einem totalitären System, mit dem die meisten sich arrangiert hatten. Insbesondere aus Bayern und Baden-Württemberg eilten die Repräsentanten nationalkonservativer und autoritärer Strukturen, Richter, Staatsanwälte etc., nach Sachsen, um den demokratischen Aufbau nach ihrem ideologischen Denkmuster zu managen. Sie übernahmen praktisch die gesamten Verwaltungsstrukturen des Freistaates.

Mehr als ein Vierteljahrhundert lang wurde Sachsens öffentliche Personalpolitik mehr oder weniger von der CDU bestimmt, die sich als patriotische, konservative und christlich-wertorientierte Volkspartei mit hohem sozialen Anspruch versteht. »Alle wichtigen Funktionen im Land, angefangen beim Hausmeister einer Schule bis zum Ministerialdirigenten, wurden mit Besitzern eines ›Gesangbuches‹ besetzt«, klagte der langjährige SPD-Landtagsabgeordnete Nolle. Gesangbuch meint ein CDU-Parteibuch. Sein Besitz dürfte (wie einst das der SED) sehr hilfreich gewesen sein, wenn es um Stellen in der Bildung, Justiz, bei der Polizei und beim Landesamt für Verfassungsschutz ging, und manch eine Karriere nicht unbedingt zum Vorteil der demokratischen Kultur gefördert haben. In einem vom CDU-Landesparteitag am 5. November beschlossenen Dokument »Deutscher Patriotismus in Europa« heißt es unter anderem: »Die herrschende Deutungsdominanz der ›Achtundsechziger‹ in Medien, Wissenschaft und Schule und die damit verbundene Diskreditierung wertorientierter patriotischer Positionen« müssen überwunden werden.103

Wirtschaftlich blühte Sachsen auf, die demokratische Kultur blieb hingegen auf der Strecke.

Kurt Biedenkopf, auch König Kurt genannt, der ehemalige sächsische Ministerpräsident, hatte in den Neunzigerjahren immer behauptet, die Sachsen seien dem Rechtsextremismus gegenüber immun. In einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung (LVZ) vom 21. September 2015 antwortete er auf die Frage: »Wieso haben Sie sich mit Ihrer Aussage so getäuscht, dass die Sachsen immun gegen den Rechtsextremismus seien«, entrüstet:

»Wieso habe ich mich getäuscht? Die große Mehrheit ist immun und bleibt es – wie in Westdeutschland, wo der Rechtsextremismus in Gestalt der Republikaner in Baden-Württemberg seinen Anfang nahm.



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